Director Baltasar Kormakur / Writer William Nicholson

Stars Jason Clarke, Josh Brolin, Jake Gyllenhaal

USA 2015 / 120 Min.

 

Sir Edmund Hillarys Augen

Was Edmund Hillary 1953 ehrfürchtig erblickte, als er den höchsten Berg der Erde bestieg und von ihm hinuntersah, bleibt dem Zuschauer verborgen. Genau wie das Gefühl, dass ihn überkommen haben muss am Fuße des Everest als er zu ihm hinaufsah. Durch seine Augen konnte freilich nur er sehen, doch wie es ausgesehen haben muss dort oben hätte kein Geheimnis bleiben müssen. Es bleibt aber eins, denn Regisseur (Baltasar Kormakur) gelingt es nur in den seltensten Fällen den Zuschauer mit zu nehmen auf das Dach der Welt. Meist bleibt die Kamera nah auf den Gesichtern seiner Bergkraxler, nur selten kann man durch ihre Augen sehen und sehen was sie sehen. Schade denn es hätte viel zu sehen gegeben dort oben wo jeder Schritt der Schwerste ist.

Das Eis schmilzt, aber nur auf der Oberfläche

Kormakur verpasst es, seinem Bergsteigerausflug, denn mehr ist es auch nicht, die richtige Ausrüstung bis hinauf auf den Gipfel mit zu geben. Everest ist weder anprangernd, noch tut er weh, noch kann er das Eis an der Oberfläche seiner vielen Charaktere freilegen. Und sie bleiben weiß Everest ohne jeden Farbklecks, Die Nacherzählung realer Ereignisse, die sich 1996 am Mount Everest ereignet haben, bei denen 8 Menschen ihr Leben am Berg ließen, angeführt von Rob Hall (Jason Clarke) und Scott Fischer (Jake Gyllenhaal). Wäre der ideale Ort um den Tourismus auf dem Berg anzuprangern. Stattdessen bleibt dieser beklagenswerte Umstand,

wodurch jährlich eine Handvoll Amateure ihr Leben verlieren, nur eine kurze Randnotiz im fertigen Film. Niemand hält dabei anklagend den Finger in die Wunde. Niemand bezieht Stellung oder stellt die Frage nach dem Sinn oder der Situation. Alles was unangenehm ist bleibt ausgeklammert. Die Gelegenheit verstreicht kommentarlos.

 

Eisig wird´s nicht nur am Basislager, sondern auch wenn es um Figurenentwicklung und deren Darstellung geht. Was unter der Eisschicht liegt interessiert den Regisseur nicht, dabei wäre dies unabdingbar um Mitgefühl zu entwickeln für seine Figuren. Richtig unsympathisch wirken sie aber auch nicht oder hassenswert. Sie wirken fast wie Omega Wesen. Glattgeschliffen, weder das eine noch das andere. Dabei bieten die Charaktere, wenn man sie enteisen würde so viel Tiefe, die man nur herausarbeiten muss. In Szenen wie dem gemeinsamen Speiß und Trank im gemütlichen Basiszelt, als der mitgereiste Journalist Krakauer (Michael Kelly) die ultimative essentielle Frage stellt verschenkt man so viel. Krakauer will wissen, warum jeder einzelne im Raum, auf den Mount Everest wolle. Der für den Film notwendige Hillary Stepp, wird gnadenlos in den Sand gefahren und man erfährt nichts weiter als ein Zitat, dass auf Wikipedia in seiner Grundform schon Edmund Hillary von sich gab.

„Man muss kein fantastischer Held sein, um bestimmte Dinge zu erreichen – um erfolgreich zu sein. Man kann ein normaler Kerl sein, der ausreichend motiviert ist, um schwierige Ziele zu meistern.“

Was zur Grundausstattung jedes guten Weltraumfilms gehört und ein einfacher Kniff ist um die Figuren besser kennen zu lernen, ``Gemeinsam am Essenstisch´´ wird hier frostig und lieblos abgearbeitet. Die Motivation jedes einzelnen, die ja Zweifellos das sein musste, wird verhüllt und nicht weiter erwähnt.


Kalte Körper und kalte Gefühle

Erfahrbar sollte der höllische Trip auf den Mount Everest für den Zuschauer sein. Erfahrbar in dem Sinne, dass er ein Gefühl für die Höhe und die Unbedeutsamkeit des Menschen in der Natur entwickelt. Bergsteiger, die auf der Höhe einer 747 auf Berge klettern, müssen sich erstmal 2 Wochen an diese Höhe gewöhnen und eine gewisse Zeit akklimatisieren. Dem Zuschauer hätte dies auch gutgetan indem er visuell beindruckende Bilder geliefert bekommen hätte doch leider beschränken sich die beindruckenden Bilder, die zudem noch im wie dafür geschaffenen 3D gedreht wurden, auf eine einzige Szene. Als sich eine Lawine löst. Alle 3D Effekte werden am Anfang der Besteigung gezeigt, sehen schick aus aber zu weilen hat man im Finale des Films das Gefühl, man befände sich beim Hillary Stepp im Studio oder in einem geschlossenen Raum. Zu keiner Zeit schwabbt dem Zuschauer das Gefühl von Höhe oder der unabwendbaren Gefahr ins Gemüt. Als ob Regisseur Kormakur ein persönliches Problem mit den Reglern hätte. Immer wenn man das Gefühl hat, der Film könne einen packen ist es auch schon wieder vorüber, immer wenn Kormakur von den Schicksalen der wartenden Familien erzählt und man versucht sich in jene hinein zu fühlen wird abgeblendet und zur nächsten Szene weiter geeilt.

Der Everest. Der Berg der Berge, Tour de Force. Superlativen werden einem zu ihm wohl nie ausgehen, aber wo ist der Schmerz im Film? Wo tut es beim Hinsehen weh? Wo kriegt man ein Gefühl dafür wie verrückt man sein muss um auf den höchsten Berg der Erde zu klettern? Everest ist gefühlt eher ein Sachbuch, das beschreibt aber nicht fühlen lässt. Das nüchtern, Tag für Tag abarbeitet aber immer mit Sicherheitsabstand. Das nichts übertreibt oder das Gefahr läuft das Eis weißer zu machen als es ist. Dabei bietet doch gerade das Medium Film, die Möglichkeit den Zuschauer in eine Welt zu entführen, die die wenigstens mit den eigenen Augen jemals sehen werden. Dafür sind im Film so viele Charaktere vertreten durch deren Augen man einen fantastischen Blick gehabt hätte. Leider sieht man den Film über nur so gut wie mit den Augen des Schneeblinden Beck Weathers (Josh Brolin).

Menschen die leise sterben...

Am Anfang des Films werden wir gemeinsam mit der Bergsteiger Crew darauf hingewiesen, dass das eigentliche Problem am Bergsteigen nicht der Aufstieg, sondern der Abstieg ist. Der Körper stirbt auf der gefährlichen Höhe von 8000 Metern, all das was hier angedeutet wird, was noch kommen soll sieht im Film dann meist so aus. Erschöpfte Körper- Unachtsamkeit beim Schlafen- Rutsch ins Nichts- Tod. Keine Musik, die einsetzt keine lange Trauer, wenn einer stirbt ist er einfach weg. Was sicherlich im wahren Leben auch so ist wirkt im Film einfach komisch und wieder seltsam nüchtern, wie in einem Sachbuch eben das nüchtern Dinge festhält und nicht wie aus einem Tagebuch eines entstellten Überlebenden, der wirklich dort war.